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Die Schreinerei-Ausbildung

Im Berufsbildungszentrum in Bilbeis sind verschiedene Werkstätten angesiedelt, darunter eine Schreinerei mit Lehrlingsausbildung. Die Lehrlingsausbildung bei SEKEM folgt dem dualen System, wie es in der Schweiz und in Deutschland üblich ist. Die Lehrlinge erhalten einerseits eine umfassende praktische Ausbildung, andererseits besuchen sie wöchentlich während mehrerer Stunden eine Berufsschule, wo sie auch die theoretischen Grundlagen zu ihrem Beruf erhalten.

2012 hat der SEKEM-Fonds (damals Sekemverein) bei SEKEM angrenzend an die bestehende Schreinerei eine Schreinerei-Lehrwerkstätte eingerichtet, die er seither begleitet. Inzwischen ist das Projekt gewachsen und dank weiteren wichtigen Akteuren aus dem bisherigen Rahmen, der Schreinerei in Bilbeis, hinausgewachsen. 

Das Aktuelle zuerst (2024)

Die SEKEM-Schreinerei verfügt seit 2023 über eine Blockbandsäge, die die effiziente Herstellung grosser Mengen von Bauholz erlaubt. Beschafft hat diese Maschine und anderes Gerät der Schreiner Francis Corbat von der Schweiz aus. Er wird im Februar 2024 nach Ägypten reisen, um zusammen mit dem Schreinerteam die Blockbandsäge in Betrieb zu nehmen, die Schulung zu begleiten, die Wartung zu unterstützen und einen ausreichenden Holzplatz einzurichten.

Ein weiterer Ausbauschritt liegt im Bereich der Holzverbindungen. Bisher wurden die meisten Holzverbindungen gedübelt. Die Lamello-Systemlösung wäre eine innovative neue Anwendung in der SEKEM-Schreinerei. Planung und Finanzierung sind noch offen. 

Gleichzeitig laufen in Ägypten Bestrebungen, die Holzausbildung weiter auszubauen. Es besteht das Projekt "Wood Centre of Competence" zum Aufbau einer höheren Fachschule für Holzverarbeitung. Dort würden auch modernere Techniken wir CNC-Programmierung und -Produktion gelehrt. SEKEM ist an diesem Projekt massgeblich beteiligt, ebenso wie die SEKEM-Freunde in Oesterreich, österreichische Holzunternehmen, die UNIDO (United Nations Industrial Development Organization) und andere Organisationen. Dieses Kompetenzzentrum wird möglicherweise auf dem Terrain der SEKEM-Hauptfarm in Bilbeis gebaut. Damit würden sich für Schreinerinnen und Schreiner nach Lehrabschluss Perspektiven einer Weiterbildung eröffnen.

Diese Entwicklung ist sehr erfreulich und eine Herausforderung auch für die Unterstützenden aus der Schweiz. Die bestehende Schreinerei würde durch das Holz-Kompetenzzentrum nicht konkurrenziert, sondern aufgewertet, weil sie ein wichtiger Zulieferer von Studierenden wäre. Die Herausforderung ist also, die bestehende Ausbildungsqualität zu halten und zu heben. Ferner können auch aus der Schweiz Impulse für das neue Projekt kommen. Angestrebt ist zum Beispiel eine Kooperationen mit der Holzfachschule Biel.

Es begann 2012 ...

Ausgangspunkt des Schreinerei-Projekts war im Frühling 2012 eine zufällige Begegnung in der Schweiz, bei der sich herausstellte, dass ein Schreiner im bernischen Mittelland seine Werkstatt nicht weiterführen konnte und bereit war, die gesamte Ausrüstung – rund fünf Tonnen Maschinen und Ausrüstungsgegenstände  – unter ihrem Wert zu veräußern. Am liebsten war ihm eine Nutzung in der Lehrlingsausbildung.  

Da bot sich die Idee, die Schreinerei-Ausbildung in SEKEM zu fördern, geradezu an. Die neue Ausstattung umfasste grundsolide deutsche und schweizerische Maschinen, die sich gut warten und reparieren lassen.
SEKEM selbst verfügt über mehr als 30 Jahre Projekterfahrung und zudem ein Berufsbildungszentrum mit existierender Schreinerei-Ausbildung. Dieses Zentrum ist auch eine anerkannte Ausbildungsstätte nach dem dualen System (parallele Ausbildung in der Berufsschule und in der Werkstatt). Die Schweiz hat in diesem Bereich etwas zu bieten: einerseits ihre Erfahrung mit der dualen Berufslehre, andererseits ihre Tradition als Holzverarbeitungsland.

Kontakte knüpfen

Nun ging es darum, das Umfeld zu studieren: War SEKEM grundsätzlich an der Idee interessiert? War Hilfe durch die offizielle oder private schweizerische Entwicklungszusammenarbeit zu erwarten? Welche Berufsverbände kamen für eine Kontaktnahme in Frage? Gab es sonst in der Schweiz Gruppierungen, die für eine Teilnahme zu gewinnen waren?

Ja, SEKEM fand die Idee gut. Und die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit ließ eine Tür offen für spätere Gespräche. Der Schreinermeisterverband und einige Berufsschulen fanden die Idee interessant und erklärten, sie wären bereit, von Fall zu Fall beratend mitzuwirken.

So ist ein Projekt entstanden, das in einer ersten Phase die Beschaffung und den Transport der Schreinerei- Ausrüstung sowie die Anbahnung des Kontakts mit der "Swiss Development Cooperation" in Kairo und in dann den Aufbau der Lehrwerkstätte und die didaktisch-technische Unterstützung von SEKEM vorsieht.

Das Projekt 2012 bis 2014

Phase 1 erfolgte unter der Verantwortung des "Fördervereins SEKEM Schweiz" (heute: SEKEM-Fonds). Der Förderverein startete einen Spendenaufruf zur Finanzierung des Ablösegelds, der bisherige Eigentümer verpackte die ganze Ausrüstung für den Seetransport, und das Kairoer Büro der "Swiss Development Cooperation SDC" erklärte sich nach Gesprächen bereit, den Betrieb der neuen Lehrwerkstätte während zwei Jahren zu finanzieren.

Phase 2 umfasste die Jahre 2013 und 2014 und lag hauptsächlich in der Verantwortung von SEKEM Ägypten. Die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit (SDC) trat mit Finanzhilfen auf, der Schweizer „Förderverein SEKEM“ sorgte für die Kontakte in die Schweiz. Ende 2013 erfolgte ein weiterer wichtiger Schritt in der Entwicklung der Lehrlingsausbildung: Der Schreiner Francis Corbat reiste für zehn Wochen nach Ägypten, um die Schreinerei zu betreuen. Dank seiner umfassenden Erfahrung in der Führung einer Werkstatt, im Design und der Vermarktung von Möbeln und im Umgang mit Lehrlingen und Mitarbeitern fand er schnell Anschluss und konnte dem Betrieb wichtige Impulse geben. Seither hat Francis Corbat einige Male die Schreinerei besucht, zum Beispiel im Frühling 2018, wo er die Überholung sämtlicher Maschinen durch ägyptisches Fachpersonal in die Wege leitete und dazu die nötigen Gelder aus der Schweiz mitbrachte.

Wo steht das Projekt 2018?

Inzwischen arbeitet die Schreiner-Lehrwerkstätte gut koordiniert nach dem dualen System: Die Lehrlinge erhalten eine praktische und eine theoretische Ausbildung, sechs Tage (42 Stunden) über drei Jahre. Vier Tage arbeiten sie in der Lehrwerkstatt, in der Produktionswerkstatt oder in der allgemeinen Schulwerkstatt. Zwei Tage besuchen sie die Berufsschule: einen Tag für die allgemeinbildenden Fächer (Arabisch, Englisch, Religion) und einen für die fachspezifische Vertiefung. Im ersten Jahr arbeiten sie vor allem an ihrer Handfertigkeit, im zweiten dürfen sie unter Aufsicht an die Maschinen, im dritten dürfen sie selbständig Maschinen bedienen.

Die Ausbildung ist gratis, anders wäre sie für viele nicht realisierbar. Es fallen pro Jahr maximal 10 Euro für Schulmaterial an. Wer trägt die übrigen Kosten? SEKEM hat mit seinen kommerziellen Betrieben die Möglichkeit, die Ausbildungsbetriebe querzufinanzieren, allerdings nur äusserst begrenzt, da gerade der ägyptische Markt keine hohen Preise zulässt. Die Schreinerei muss sich also auch über Verkauf von Produkten selbst finanzieren.

Sowohl die Ausbildung wie die Produktion haben sich in den ersten Jahren erfreulich entwickelt. Für die Bauvorhaben von SEKEM, allem voran der Ausbau der eigenen Universität, konnte die Schreinerei eine grosse Zahl von Fenstern, Türen, Tischen und weiteren Holzgütern herstellen. Und während es anfangs selbstverständlich war, dass jährlich zwölf junge Männer Zugang zur Ausbildung erhielten, so ist es inzwischen selbstverständlich, dass die Hälfte der Lehranfänger:innen junge Frauen sind. Es gibt natürlich auch weibliche Lehrpersonen.

Die Unterstützung aus der Schweiz und zum Teil aus anderen Ländern darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schreinerei den allergrössten Teil des Jahres auf sich selber gestellt ist. Von SEKEM kann sie nur begrenzt Unterstützung erwarten, da dort sowohl die Mittel wie auch das schreinerische Know-how sehr limitiert sind. Deshalb sind jährliche oder zweijährliche Fachbesuche in der Schreinerei und materielle sowie finanzielle Unterstützung eine wichtige Voraussetzung, damit der Betrieb über Jahr und Tag gut funktioniert und sich entwickeln kann.

Ein wichtiger Bereich der Unterstützung betrifft den Maschinenpark. Die Schreinerei-Maschinen sind zwar erstklassige Geräte aus der Schweiz, Deutschland und anderen Ländern, sie sind aber sehr alt. Zudem sind in der Fertigungskette schwache Stellen: Mangels geeigneter Ausrüstung sind einige Abläufe umständlich und ineffizient.

Regelmässige Wartung der Maschinen und Ersatz von Verschleissmaterial wie Sägeblättern sind unabdingbar. Die Wartung durch auswärtige ägyptische Fachleute hat sich bewährt, allerdings wäre sie ohne die Finanzierung durch die Schweiz nicht möglich gewesen, und die Prioritätensetzung vor Ort durch Francis Corbat hat sicher 2018 zu einem guten Gesamtresultat beigetragen.

Der bestehende Maschinenpark bietet ein grosses Spektrum von Produktionsschritten, hat aber auch seine Grenzen. Deshalb ist es nötig, ihn im Rahmen des Möglichen auszubauen. Seit 2012 sind einige kleinere Maschinen dazugekommen,  immer verbunden mit der Einführung der Geräte beim Personal und den Lehrlingen. Nun scheint die Zeit reif, um mit zwei Neuerungen den Schritt von der handwerklichen Einzel- zur seriellen Produktion zu machen.

Ausbauschritt 2023

Ein besonders spürbarer Mangel war das Sägen von Rundhölzern, das heisst von ganzen Baumstämmen. Dieser Arbeitsschritt wurde schon 2012 mit besseren Sägen erleichtert. Gerade die massenhafte Fertigung von Hausausstattungen hat aber gezeigt, dass eine leistungsstarke Blockbandsäge die Produktionsabläufe deutlich verbessern würde. Es bestand also Bedarf nach einer Blockbandsäge, inklusive Installation und Schulung.

Die Finanzierung dieses Ausbauschritts erreichte der SEKEM-Fonds mit Hilfe der Ramsay Foundation. Entsprechend reiste Francis Corbat im März 2023 für zehn Tage nach Ägypten, um die nächsten Schritte zu besprechen und zu organisieren. 

 

Weitere Informationen

6-Minuten-Film auf Youtube über das Schreinerei-Projekt nach dessen Start, November 2012

Interviews zur Schreinerei auf der SEKEM-Website, April 2018
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